Feuilletons
Ka. Schwedler
Tu das Unnütze! - Günther Eich
Als Kulturverfolgerin in Wort und Tat erforsche das Rhein-Main-Gebiet auf Veranstaltungen und Personen, die im Bereich Theater, Kabarett, Kunst, Tanz und Musik. Offen für alles und mit meiner ganz persönlichen Perspektive als Kulturbereisende stelle ich mich mit meinen Berichten der Öffentlichkeit.
FB: https://m.facebook.com/KathrinSchwedler888/?ref=py_c
Wilkommen in meinem Kultur-Salon
Text- und Bildrechte: Kathrin Schwedler
Andere Cpoyright sind als Link angegeben
SpötterDämmerungen
Das Wiesnadener GOJ T-A-TR feiert Jubiläum mit einer KulturRevue
Als der Wiener Dichter und Lebenskünstler des Jugendstils Peter Altenberg mit seinem Mantel wehend und flatternd durch den Ersten Bezirk tänzelte um Flugversuche zu machen, rief ihn ein Gendarm ermahnend an: Herr Altenberg, sie machen immer zu viel Aufsehen! P.A. respondierte sofort: Nein, zu wenig, zu wenig! Unter dem Titel „Spötterdämmerung“, hat sich die in Wiesbaden ansässige Gruppe „GOJ-T-A-TR“ zu ihrem dreißigjährigen Bestehen die ganz große Bühnenfrage vorgenommen: Warum spielen? Im Thalhaus ist die Bühne ein Revue-Raum mit Glitzervorhang, Stimmungs-Combo und clownesk gekleideten Akteuren. Es vermischen sich zwei Ebenen: GOJ wird von einer Direktion aufgefordert eine Show zu produzieren. Die Proben und die Vorstellung sind dann quasi eins. Motto nach Tucholsky (1929): „Die Welt schreit nach Satire!“. Das wie immer apart gestaltete Programheft ruft Namen auf wie Brecht, Shakespeare, Hollaender, Foucault, Tarkowsky, Thomas Brasch, Georg Kreisler. Die Musiken jazzen, geben sich chansonhaft, tanzen Rumba oder Walzer. Das ist ein erlesener Resonanzraum, dessen Atmosphäre vor allem von Untergangsstimmung gekennzeichnet ist. Bei der GOJ-JubiläumsRevue ist von der anarchistischen Leichtigkeit, dem Spaß am Bizarren, dem sprachlich Verqueren womit sich die Truppe in Herz, Hirn und Zwerchfell einer treuen FanGemeinde gespielt hat kaum noch ein Hauch. Trotz teils klamödienhafter Dialoge und Szenen rund ums Thema „Künstlerleben“ ist diesem oft genug intellektuell verrätseltem Konglomerat das Lachen abhandengekommen. „Du hast deine Stellung verloren, sieh dich nach einer anderen um“, wird der KabarettKomponist und Exilant Hollaender zitiert. Für den Armen Augustin, ist alles hin.
Premiere von „Spötterdämmerung“ war schon im März 2023. Wenigstens im Kulturbereich war nach der CoronaZeit wieder etwas wir Normalität eingekehrt. Wobei irgendetwas in der KUNSTWelt zersprungen war, bröselte, ächzte und rumorte. Denn eins hatte sich unter Corona offenbar in den Köpfen festgesetzt: Kultur ist nicht systemrelevant! Oder wie es im Jargon der staatlichen/städtischen Förderpolitik lautet: Was hierhin an Geld fließt sind FREIWILLIGE Leistungen. In Wiesbaden wurde es mit dem neuen Kämmerer und Kulturdezernenten Hendrik Schmehl offiziell: Budgetkürzungen bei Kultur 2024 mit satten 20%. Das ist in der ohnehin meist Ecke auf Kante genähten Kulturwirtschaft nicht nur systemrelevant, es ist schlicht und einfach nur in einer Form machbar: Bühnenorte schließen, Festivals und traditionelle BürgerKultur in die Tonne klopfen. Vor allem im Internet entfachte sich ein kleines Empörungsstürmchen mit realen Mahnwachen, Plakataktionen und einer Petition. Die in den Jahren zuvor verzwergte örtliche Presse machte, was sie immer tut: Sie „berichtet“ unter „Lokales“, denn ein „Feuilleton“ gibt es in Wiesbaden schon seit Jahren nicht mehr. Vor allem ein großer Aufschrei der Kulturkonsumenten blieb aus. Die hatten sich schon an Bescheidenheit und Netflix gewöhnt, und selbst am Großen Staatstheater ist Alltag sparsam ein einziges Bühnenbild für drei Produktionen zu nutzen.
„Where are the clowns? Send in the clowns!“- eine MusicalParole aus sehr alten Zirkuszeiten. Lustig sein, das ist jetzt Comedy! Wobei es noch ein weltweit agierendes „Restaurant“ gibt dessen Maskottchen ein buntes Kostüm hat und eine rote Nase: Ronald MacDonald! Doch auch dieses Symbol für Heiterkeit wurde inzwischen zum HorrorClown umgedeutet. Wobei sich bildlich der Kreis zum Lieben Augustin schließt, und wir in WienCity am Graben sind, wo seinerzeit diese Figur vom „Aschenmann“ beerdigt wurde- an der berühmten Pestsäule nämlich. Wo nebenan zu frühen Automobilzeiten Peter Altenberg seinen Stammsitz hatte:
Sonnenuntergang im Prater
(in "Märchen des Lebens", Berlin 1908)
Sie waren stundenlang im Grabenkiosk gesessen, letzter Augusttag, hatten Fiaker betrachtet mit Fremden, Automobile, wie Zugvögel von fernen Reisen, Damen auf dem Trottoire, die wunderbar sicher dahinglitten, und andere, die trippelten und tänzelten, um etwas Besonderes aus sich zu machen.
In dem Kiosk saß eine Französin, die man nur mit den Augen grüßte. Und ein süßes, junges Geschöpf mit seiner »Tante«, das man auch nur mit den Augen begrüßte. Und fremde Damen mit Schleierhüten, die man überhaupt nicht grüßte. Und einige Männer, die schon vom Urlaube zurückgekehrt waren. Alle diese Menschen kamen sich ein bißchen deklassiert vor, daß man sie im Grabenkiosk ertappte in der Haute-Saison, während die anderen noch in Ostende oder Biarritz – – –
Die beiden Freunde machten trotz alledem einige wichtige Beobachtungen, sammelten einige seltene Exemplare von Menschlein für ihre innerliche Käfersammlung, spießten sie auf, teilten sie ein in allgemeinere Klassen.
Um sechs Uhr kam das rote Automobil, Mercedes 18-24, entführte sie in die Krieau. Dort war ganz staubfreie Landluft und Stille. Ein Herr in schwarzem Anzug und schneeweißen Handschuhen bestieg ein Pferd. Ein Fiaker brachte eine Tänzerin (die Hofoper war bereits geöffnet), ein graues Automobil kam an, dumpf, Bariton singend, also über 30 HP. Das Gärtchen war voll gelber Blumen, die wie kleine Sonnenblumen aussahen, und die Kaninchen im Käfig stellten die Ohren unregelmäßig schief. Die beiden Freunde rauchten Prinzesas und glotzten auf die zumeist leeren weißen Tische und Bänke. Im Vorfrühling, im Herbste entwickelt sieh hier ein Leben und »Treiben«. Aber man hatte den 31. August!
Infolgedessen fuhren die beiden Freunde weiter zum Winterhafen.
Donau, kleines Bahngeleise, große Lederfabrik, holperiges Granitpflaster, gut genug für Schneckengang gehende breiträderige Lastwagen! Das Automobil aber sprang, galoppierte, hüpfte, war wie deklassiert auf dieser gepflasterten Lastenstraße. Links war der Winterhafen, rechts ein erhöhtes Plateau aus Donausand und Donaukieselsteinen errichtet, bespickt mit jungen Birken. Da hatte man einen Rundblick auf bleigraue Hügel, schwarze Fabrikschornsteine und die Glut des Sonnenunterganges. Man sah das düstere Pulvermagazin, den Laaerberg, den Zentralfriedhof, den Kahlenberg – – –. Wie in grauem, flüssigem Blei des Himmels und der Erde wogte die dunkelrote Glut der Sonnenuntergangsstreifen. Die Lederfabrik war wie ein schwarzes Ungeheuer, und drei riesige Schornsteine sandten schwarzen Rauch in die Glut, wie schmale Dampfspritzen, die ungeheure Brände löschen möchten! Die dünnen, zarten Birken auf dem Donauschütte bebten im Abendwind, und die beiden Freunde suchten schöne, glatte, hellbraune Kieselsteine aus als Andenken an den friedvollen Abend. Auf der Landstraße wartete das rote Automobil, Mercedes 18-24, das ein kleiner Landstraßen-Orientexpreßzug werden konnte bei Schnelligkeit vier.
Die rote Glut im Blei des Himmels wurde himbeerfarbig, dann dunkelgraurot. Die beiden Freunde sagten: »Nun gibt es nichts mehr zu schauen. Das Stück ist zu Ende.« Sie bestiegen daher das rote Automobil und sagten zu dem Chauffeur: »Geschwindigkeit vier, bitte – – –«
Sie rasten in den Grabenkiosk zurück.
Dort saß noch die Französin, die man nur mit den Augen begrüßen durfte.
Aber in dieser Stunde durfte man bereits zu ihr sagen: »Guten Abend – – –«
Und die beiden Herren sagten höflich: »Bon soir – – –.«
Das ICH ist ein Roman aus Vergangenheit und Zukunft
Matthias Matschke schreibt sich auf
„Falschgeld“, Hoffmann&Campe, 2022, 253 Seiten, 24€ Auch als E-Book und Hörbuch verfügbar
„Ich bin Matthias Matschke. Ich bin grade vom Baum gefallen“. Der verunfallte Junge ist dreizehn Jahre alt, hören wir. Er könnte sich vorstellen Pilot zu werden. Und im Fernsehen guckt er sich „Captain Future“ an. Das „Ich“, welches auf über 250 Seiten über eine Jugend in der BRD erzählt, ist der Schauspieler Matthias Matschke. Den kennt man öffentlich vor allem als Comedian, der in lustigen Serien wie „Ladykracher“, „Sketch-History“, „Pastewka“ oder höchst ironischen Formaten wie das Krimi-Serial „Professor T.“ und amüsante Lifestyle-Kinofilmen („Warum Männer nicht zuhören, und Frauen schlecht einparken“). In der „heute-show“ spielt er seit 2014 „Dr. Matthias Matschke“. Wenn man nicht grade Jahrzehnte in Berlin wohnte und regelmäßig in der Ära Frank Castorf in Vorstellungen der Volksbühne ging, der hat den solide ausgebildeten Theaterschauspieler Matschke ehe nicht wahrgenommen. Besonders der solitär skurrile Regisseur Christoph Marthaler setzte den in Marburg geborenen Darsteller gerne ein, holte ihn sogar nach Zürich. Die stattliche Aufzählung all der oft nachmals kultigen Produktionen, bei denen Matschke mit im Team war (Kino: „Grandhotel Budapest“) lässt erahnen, dass er offenbar eine sichere Bank ist, wenn meist auch nicht für Hauptrollen. Diese müssen sehr speziell sein wie der autistische Kriminalspezialist „Professor T.“ mit seinen nerdigen Marotten und einem Charakter, der offensichtlich aus einer komplett humorfreien Lebenszone stammt. Matschke ist meist ein auffällig unauffälliger Charakter, ein bisschen vom Schlag eines neurotischen Jack Lemmon, dessen Komödianz sich aus der Gewissheit nährt, dass Butterbrote immer auf die Aufstrichseite fallen.
Etliche bekannte deutsche High-end-Schauspieler haben zuletzt mit autobiographischen Büchern, man muss sagen-überrascht. Joachim Meyerhoff erzielte mit den Schilderungen seiner Kindheit als Sohn eines Irrenarztes und Enkel einer hochberühmten Schauspielerin auf geteilt in einer mehrbändigen Saga Bestsellerstatus. Edgar Selge und sein „Hast du uns endlich gefunden“ entführt brutal wie sensibel und meisterlich formuliert in eine Nachkriegskindheit des Grauens, in der sich die erinnerte Hauptfigur schonungslos als gar nicht liebes Kind entpuppt. Eine ganz andere Generation als Will Quadflieg, Manfred Krug oder Mario Adorf kann die eigenen Erinnerungen ehrlich gesagt nur noch als fiktionalisiert zu Papier bringen.
Auch Matschke nennt sein Buch „Roman“. Wikipedia-Korrekt sind Angaben wie das pseudoländliche Schlafdorf bei Darmstadt. Wenn der Autor nicht eben übel vom Apfelbaum fällt, oder mit dem Bonanzarad verunglückt, atmet er im Gymnasium intensiv die Luft in der Biosammlung, wo er auch mal Sex unter Lehrern mitbekommt, sitzt im „Cafe Chaos“, oder lässt sich durch seine Freundin Johanne in einen elitären Partykreis mit eloquenten Lebensphilosophen und anderen ausgeflippten Randerscheinungen einführen. Der Titel „Falschgeld“ bezieht sich auf den Onkel, den Bruder seines Vaters, und ist etwas wie ein familiäres U-Boot.
Das Buch hat Matschke seinem Vater gewidmet. Der war Ingenieur, und nicht evangelischer Pfarrer. Ei etwas gewagter literarischer Berufswechsel. Das Verhältnis zwischen den beiden ist rational geprägt, selbst in der exerzierten Gläubigkeit von Vater und Sohn brav nach Schema F. Das konterkariert von emotionalen Ausbrüchen eines vor allem um sich selbst kreisenden Mannes, der niemanden an sich ranlässt, weder Sohn noch seine Ehefrau.
Etwas geschummelt wird bei Jahreszahlen, denn es soll sich im Jahre 1989 der private „Vorfall“ zeitgleich zum Mauerfall ereignen. Die Sache mit dem Telefontisch im Flur, dem Käfer, dem Zivildienst und der lebenden Erinnerung, wo im Wald im zweiten Weltkrieg ein Flugzeug abgestürzt ist, atmet die Aura der nicht enden wollenden Kanzler-Kohl-Zeit. Grade die nicht schwelgerische, sondern auch textlich und dialogisch verknappten Szenerien von Matschke bauen eine konzise Erzählwelt auf, die unauffällig ins Eigentliche gleitet. „So fühlt sich Gegenwart an, denke ich“, ploppt da einfach so hin. Herrmann-Hesse-Sentimentalität trotz der gewälzten Gottesfrage Fehlanzeige. „Man muss an die Erinnerung glauben. Sie ist formbar wie die Zukunft“ (Christian Matschke), lautet die Widmung des Buches. In jedem Fall gilt der Satz, der immer wieder beschwörend im Buch gesagt wird : „Ich bin Matthias Matschke“. Immerhin.-
Aquarell-Entwürfe zu Kaiser-Friedrich-Bad , Hans Völcker (´1907), Sammlung Stiftung Statdmuseum Wiesbaden, Foto: K.Schwedler
WasserMachtIdentität bis 29. Januar 2023
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonnteg 11-17Uhr
Eintriott 6€ / 4€ , Kinder und Jugendliche3 bis 18Jahre frei!
www.stadtmuseum-wiesbaden.de
Der Allesschreiber
Steinfest beim LeseLand Hessen
Das mit der Kategorisierung von Heinrich Steinfest ist so eine Sache. Schon um 30 Bücher hat der 1961 in Australien geborene und als Kleinkind nach Wien übersiedelte Wahl-Heidelberger verfasst. Zum Bestsellerautor wurde er durch seinen Privatermittler Cheng, der inzwischen Krimi-Kult ist, und es auf sechs Titel gebracht hat. Es hagelte ob der skurrilen, phantasmagorischen und kabarettreifen Szenen Preise. Steinfest ist schon irgendwie „speziell“ wie die Titel seiner Romane ahnen lassen: Batmans Schönheit, Die Möbel des Teufels, Die Haischwimmerin, Nervöse Fische. In der Auftaktveranstaltung zu „Leseland Hessen“ (bis 9.November) im KulturForum Wiesbaden stand Radioredaktuer Ulrich Sonnenschein dem Vielschreiber zur Seite. Es ging um „Der betrunkene Berg“ (Piper Verlag), mit dem Steinfest grade tourt. Weil die beiden Herren sich gut kannten, und ihren eigenen Schnack miteinander haben, wurde gut gelaunt gefrotzelt und gespoilert. In 90 Minuten bekam das Publikum grade mal zwei Passagen aus dem Buch zu hören. Die Buchhändlerin Katharina hat auf 1.700 Metern Höhe sich ihren Traum eines Ladens erfüllt. Als Nebenjob passt sie noch auf die Berghütte nebendran auf. In diesem November findet sie einen bulligen Hünen in Sommerkleidung, der von sich sagt, er möchte am Gipfel sterben. Natürlich wird er beherzt gerettet. Weil er leider an einer Amnesie leidet, bleibt er erstmal bei Katharina. Zumal er sich als großartiger Koch erweis. Nebenher ist er ein emsiger Schneeskulpturmacher. Oder ist er eigentlich ein alter Schwergewichtsboxer wie ein Traum ihn ahnen lässt? Sonnenschein hatte einige Fragen zu Details wie dem, ob es im Buch um „Schuld“ geht, und die Verarbeitung einer solchen. Das wäre das Thema, meinte Steinfest, der gerne ausführlich wird, und für die Erklärung, warum der band „Der betrunkene Berg“ hieße, weit ausholt, um sich selbst zu fragen „Was wollte ich eigentlich sagen?“ Sonnenschein meinte provokant, ein Mann ohne Gedächtnis wäre als Motiv sattsam bekannt. Das ist Steinfest wuscht, denn generell schreibe er immer einfach los, und wenn sich die Figuren dann mit ihm angefreundet hätten, ginge man den Weg von Schritt zu Schritt zusammen, ohne zu wissen wie es ausgeht. Das sage aber eigentlich jeder Buchverfasser, kontert Sonnenschein grinsend. Alter Schwede! Im weiteren Gespräch erfährt man einiges zur Angst vor dem Alpinen des Schriftstellers, der sich aber seiner Angst immer wieder stellen würde. Aber obwohl die Romanlandschaft an einem Salzburger Berg angelehnt sei, wäre die Begegnung der Menschen im Buch nicht autobiographisch. Sonnenschein weist auf die Vergangenheit des Autors als ehemaliger Bildender Künstler und als Leichtgewichtsboxer hin. Auch Kochen ist offenbar so ein Steinfest-Ding, aber vor allem was Salat machen anginge. Was etwas zu kurz kam ist der Sprach- und Sprechstil im Buch, und in anderen Büchern. Die Beschreibungen der lebensrettenden Maßnahmen von Katharina sind Wort gewordener Slapstick mit Anflügen von Magie. Die Dialoge haben menschelnden Schmäh, lassen kein Thema aus und haben einen eigenen Sound und Rhythmus. Was sich bei der Lesung positiv ausmacht, und durch die österreichische Intonierung atmosphärisch einen Komödienton ergibt, hinter dem es naturgemäß und nichts anderes als Leben oder Tod geht.
Kathrin Schwedler
12.9.2022
Auf den Spuren von Jawlensky
Eins auf die 100!
Feiern in Wiesbaden mit Jawlensky
WIR ZWEI
Die SCHAUstelle ist eine Station auf dem Pfad – 100 Jahre Jawlensky.
13 MITGLIEDER im Berufsverband bildender Künstler*innen haben sich, inspiriert durch die Beziehung von Lisa Kümmel und Alexej von Jawlensky, mit dem Thema - WIR ZWEI - auseinandergesetzt und präsentieren vom 27. März bis 24. April in der Marcobrunnerstr.3 ihre Arbeiten. Öffnungszeiten Sa und So 14-17 Uhr, am Sa 09.04. zur Kurzen Nacht der Galerien und Museen von 9-24 Uhr.
DIE ERÖFFNUNG FINDET AM SAMSTAG 26.03.22 UM 18 UHR STATT.
Teilnehmende Künstler*innen bewegen sich im Spannungsfeld der Beziehungen.
Anna Bieler stellt Mann und Frau durch expressiv anmutenden Malerei dar,
Sandra Heinz verarbeitet getragene Kleidungsstücke, Mireille Jautz thematisiert die Ehrlichkeiten von Umarmungen. Renate Reifert, Rita Eller, Tine Kaiser, Riita Soini,
Renate Schwarz Kraft, Reiner Strasser und Ulrike von Quast setzen sich mit Kommunikation, dem Bezug zwischen den Figuren auseinander. Die Selbstaufgabe Lisa Kümmels thematisieren Elli Weishaupt und Christiane Steitz. Doris Bardong stellt Skulpturen aus, die in einem Spannungsverhältnis stehen.
Die Vielfalt der Ausstellung verspricht ein anregendes Erlebnis.
Daseinsvorsorge Antiquariat
Es gab eine Zeit, wo Jahrhunderte Bücher sehr selten waren. Kostbare Schätze, von Hand geschrieben und illustriert. Um Folianten zu besitzen musste man reich und mächtig sein. Dann kam mit Gutenberg der Buchdruck in die Welt. Und mit Luther die deutschsprachige Bibel. Lesen können war dadurch ein Instrument der Teilhabe an kirchlicher, und weil nun auch Gesetze und Dekrete in Bände gefasst wurden, auch der weltlichen Macht. Im neunzehnten Jahrhundert mit seinem Drang zur Wissenschaft und geistigen Welteroberung begann das aufstrebende Bürgertum sich Bücherschränke an zu schaffen. Die Eintrittspforte ins Reich der gedruckten Worte erfolgte durch die Schulpflicht. Wer studierten konnte war auf Bibliotheken und Archive angewiesen. Nach dem ersten Weltkrieg begann die Idee der Volksbildung durch Leseringe Gestalt an zu nehmen. Bertelsmann gründete 1950 seinen „Lesering“, der zum „Club“ wurde. Durch den Ankauf von Lizenzen und ein weitreichendes Mitgliedernetz war es möglich vor allem aktuelle Belletristik günstig zu erwerben. Die heimische Bücherwand gehörte nun zu jedem bürgerlichen Haushalt. Und als IKEA 1978 die Regalserie „Billy“ auf den Mark brachte, wurde dieses Möbel durch alle Gesellschaftsschichten zum omnipräsenten Präsentiermöbel für die eigenen Bücher.
Klassisch die Abteilung mit den schrill gelben und zerfladelten Reclamheften aus Schul- und Studientage. Ererbte Bertelsmann-Bände mit gediegenen erscheinenden Rücken mit Goldprägung, zum Wegwerfen zu schade. Der farbige Regenbogen von Suhrkamp Taschenbüchern mit einem Block Hermann Hesse. Die Rubrik Krimis als wilde Mischung. Meist noch gesammelte Werke von Goethe, Schiller oder Karl May. Und oft auch ein kleines Areal Lyrik.
Und da kommt schon das Antiquarische ins Spiel. Gesammelte Werke, kauft man sie um sie zu lesen, oder doch eher um zu dokumentieren, dass man sie lesen könnte? Auch in akademischen Haushalten ist die Buchwand immer ein Stück Altar, Repräsentationskultur, Ausstellungsort der belesenen Individualität. Zeig mir deinen Literaturschrein, und ich sehe, wer du bist!
Und womit könnte man das besser dokumentieren als mit dem Einkauf von alten Exemplaren großer Literaturerscheinungen. Womöglich Erstausgaben! Was den verkaufstechnischen Wert solcher Bände angeht, so haben Amazon, Booklooker oder Momox manchem Sammler von außergewöhnlichen Extraausgaben in Spezialformaten gelehrt wie unnachgefragt innigst geliebte Werke sein können. Unser Mitleid gehört vor allem den Arno-Schmidt-Apologeten. Im Zeitalter von Internet ist die Attraktivität von Bildbänden oder Fotobüchern gesunken. Wozu kiloschwere Hochkantklötze mit oft unseligen Buchknicken mitten durchs Motiv horten, bei denen man sich nicht ins Detail zoomen kann.
Beglückt vom neuen weltweiten Vertrieb alter Schwarten sind allerdings diejenigen, die forschen. Bücher wirft man selten weg. Grade wenn sie zum Thema Geschichte etwas beinhalten. Wer sich auf Reisen oder auch Flohmärkten immer wieder hoffnungsfroh mit schmutzig werdenden Finger durch Stapeln von Büchern gearbeitet hat, der kann das nun per Mausklick daheim tun. Und wird praktisch immer fündig. Antiquarische Ladenhüter, die geographisch am falschen Ort schlummern, gehen auf Reisen. Und je nachdem welche Person den Handel betreibt, gibt es sogar mal eine Tüte Gummibärchen, eine Tafel Schokolade, oder eine schöne Postkarte zusammen mit dem glücklich gefundene Buch. Denn Antiquariate sind Orte, die man nur betreiben kann, wenn man in der Lage ist sich auf diese Material gewordene Geschichte ein zu lassen. Was optisch oft genug abgeschrabbelt, angerissen, gebräunt und abgestorben wirkt, womöglich noch schlecht beleuchtet, das ist und bleibt ein Gemurmel aus weiter und näherer Vergangenheit.
Im Roman „Fahrenheit 451“ von Bradbury werden in einer Diktatur, die Bücher von der „Feuerwehr“ verbrennen lässt, Menschen zu Büchern. In den Wäldern hausen sie, und lernen Weltliteratur auswendig. Denn diese ist das Gedächtnis menschlicher Zivilisation. Ohne Bücher sind wir nichts, weil wir nicht wissen wo wir hergekommen sind, und wo wir hingehen sollten. Deswegen sind Antiquariate Räume zum sich verlieren, damit man sich selbst wieder findet.
Kathrin Schwedler
https://www.zeit.de/zeit-magazin/2021/43/antiquariate-deutschland-alte-buecher-stoebern-nostalgie?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Es gibt immer weniger Antiquariate in deutschen Städten. Dabei haben die meisten Menschen keine Ahnung davon, welche Oasen da verloren gehen.
„Antiquariate sind Fixpunkte im Großstadtwahnsinn. Sie sind magische Orte zum Verlieren, Finden, Sich-Wiederfinden“
Von Raoul Löbbert
ZEITmagazin Nr. 43/2021 20. Oktober 2021, 1. November 2021,
Antiquariate in Wiesbaden
Antiquariat Wiederspahn
Webergasse 35 · 0611 3083166
Einkaufen im Geschäft·Abholung im Geschäft
Homepage: http://antiquariat-wiederspahn.de/
Keine Suchmaske
Antiquariat Christmann
Neugasse 20 · 0611 378207
Einkaufen im Geschäft oder Online
Volltextsuche
https://www.antiquariat.de/listen/sg_aqtreffer3.jsp;jsessionid=8C4331530B5D9FBB36D48F1ECA275D41?aq=9332#
Buchhandlung und Antiquariat H.J.von Goetz
Rheinstraße 101 · 0611 372358
Einkaufen im Geschäft·Abholung im Geschäft
https://www.zvab.com/hans-j-von-goetz-antiquariat-wiesbaden/61969725/sf
Größte deutsche Online-Plattform für antiquarische Bücher, Stiche, Postkarten, Zeitungen, Autographe
www.zvab.de
Lesung Ingo Schulz
9.11. Kulturforum / Wiesbaden
Text und Foto Kathrin Schwedler
Lieber Fr.!
Diesmal eine Mail. Ja. Denn unsere rituellen und spontanen Straßengespräche sing ja immer wunderbar erquickend. Nur was diese Lesung mit Ingo Schulz im Kulturforum angeht gestern, da habe ich mir ja vorgenommen einen Bericht drüber zu schreiben. Und ich bekomme es nicht wirklich hin. Aber ich habe einen Kniff gefunden, den ich sozusagen von Ingo Schulz geklaut habe. Du wirst von mir angemailt. Fang auf!
Wobei? Hast du überhaupt etwas von Ingo Schulz gelesen? Über ihn sicher, denn er hat sich seit 1995 zu einem der erfolgreichsten (zu Recht!) Erzähler Deutschlands gemausert. „Simple Storys“ hab ich von ihm gelesen. Ach nee, auch „33 Augenblicke des Glücks“, wie ein Kontrollgang zum Bücherregal ergibt. Schulz steht in der Nähe von Frank Schulz, dem romanseken Hamburger (Ono Viets und so).
Dass mit der Biographie von Ingo Schulz: 1962 geboren in Dresden. Beim Überfliegen seines Wiki-Eintrags merke ich gleich: Seine Vita ist ähnlich wie vom Protagonisten in seinem Roman „Neue Leben. Die Jugend Enrico Türmers in Briefen und Prosa“ (2005). Aus dem Buch hat er nämlich ziemlich viele Passagen gelesen, und dabei die meiste Zeit verbraucht. Die Veranstaltung war auch viral und musste dann enden. Weil ich an sich eben „Tasso im Irrenhaus“ gelesen hatte (3 Erzählungen zu Thema bildende Kunst mit Ingo Schulze als „Held“), also etwas darüber zu hören erwartete, habe ich tapfer durchgehalten wie sich Schulz mit dem Moderator Frank Witzel („Die Erfindung der Rote Armeefraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“) sehr lange über eben diesen Enrico Türmer unterhalten haben.
Es ist ja so: Lesungen zu besuchen ist für mich immer ein wenig Rätsel raten. Was daran liegt, dass ich eigentlich nie hin gehe, weil ich vorher schon das annoncierte Buch gelesen habe. Als Journalistin hab ich mir wie beim Theater oder Kabarett vorgenommen alles ergebnisoffen zu betrachten. Beim Zuschauer-Frage-Teil nerven mich diese Schlaumeiereien von den „Kennern“, die meinen sie müssen dem Autor, der Autorin ihre Texte erklären. Ich stelle mich lieber „janz dumm“, und warte ab.
Ich schweife und schwafele ab. Pardon.
Dieses Kulturforum hat sich inzwischen ja zu einem opulenten Kongress-Saal gemausert. Technisch und mit teuren Bühnenlappen rundum alles vom feinsten. Ingo Schulz arbeitet soeben seinen neusten Preis ab, den der deutschen Literaturhäuser (Gruppe aus 15 Häusern, Donation 20.000€). Er muss auch nach Österreich und die Schweiz. ARTE ist auch mit im Boot. Für den Podcast hatten sie drei von diesen hypermodernen Kameras aufgestellt, die aussehen wie Fotoapparate. Und: Es waren in dem riesigen und voll bestuhlten Saal die derzeit üblichen zwanzig Gästinnen und ein Gast. Dito!
Diese Frank Witzel, der redet ja sehr lang und ausführlich. Zuerst ging es darum, wieso die Figur Türmers „Enrico“ heißt. Und warum er nach 1989 seinen Vornamen in „Heinrich“ ändert. Bei der Anmoderation einer Mitarbeiterin vom Literaturhaus wurde nicht nur aus der Preis-Laudation rezitiert, sondern angemerkt, dass Witze und Schulz sich gut kennen. Die zweite Story im Tasso-Band ist ihm gewidmet. Irgendwie ging das Gespräch dann um die erzählerische Dramaturgie, dass beim Türmerbuch Schulz als Herausgeben von Briefen auftritt. Und die Lesepassagen sprangen dann von hinten nach vorne um jeweils in anderem Stil (Briefe etc.) die Situation zu schildern, wie Enrico im Gymnasium einen Aufsatz über die NVA und ihren Sinn hinsichtlich der „BRD“ vortragen muss. Der Schulz hat ja wie ich Germanistik studiert. Und war nachhin auch Dramaturg. Insofern ist der Ansatz etwas multifokal zu schreiben fast möchte ich sagen ein alter Hut. Vor allem kommt dadurch immer Ironie ins Spiel. Aus dem Willen nach „Wahrhaftigkeit“ wird eine polyphone Schreibstruktur gewählt.
Aber wenn man vor allem in den Dialogen (das hat Witzel betont) so kunstvoll und lebenssatt formulieren kann, dann steht dem allzu menschlichen Humor eben nichts im Wege. Eine kleine Passage aus der Tasso-Erzählung gab es nämlich doch noch. Wobei Schulz sich entschuldigte, dass er den Schweizer Dialekt der einen Sprechrolle nicht nachmachen könne. Und er wäre gespannt, was bei seiner Lesetour im Alpenland passieren würde. Politisch geht es nämlich bei dem Gespräch ganz schön ans Eingemachte hinsichtlich der ewigen Geldscheffelei dort. Und, formidabler Gedanke, dass man in der Schweiz nie Krieg habe, aber faktisch mit sämtlichen außerschweizerischen Gemetzel sein Geld verdient. Ohne Kriege wäre die Schweiz am Ende, sozusagen.
Das Tasso-Buch musst du unbedingt lesen! Hinreißend satirische Szenerien des Kulturbetriebs und seine Protagonisten. Das Spiegelprinzip in fabelhaften Kleindramuletten. Schulz immer als „Tor“ im Zentrum, der sich als schreibendes Menschlein durch den Kakao zieht, und ihn auch noch austrinkt.
Voilá!
Deine ker
Hompage/ Bio Ingo Schulz
https://www-ingoschulze-com.translate.goog/biografie.html?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=nui,sc&_x_tr_sch=http
Lesung Felicitas Hoppe
13.10. Literaturhaus / Wiesbaden
Text und Foto Kathrin Schwedler
Wenn man die 1960 in Hameln geborene Schriftstellerin vorstellt, dann besteht ein Großteil des Textets aus der Aufzählung von Literaturpreisen. Der renommierte Georg-Büchner-Preis weist die Autorin als reflektiven Sprachspitz aus. Der „Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor“(2021) als Verfertigerin von Romanen, Erzählungen, Kinderbüchern, bei denen Komik als „Mittel zur Distanzierung wie zum Lustgewinn, fein dosiert und doch reichhaltig eingesetzt“ werden. Das seit den neunziger Jahren wachsende „Werk“ besteht aus diversen Genres mit Titeln wie „Fährmann hol über!“, „Iwein, Löwenritter“, „Fakire und Flötisten“, oder „Paradiese. Übersee“. Schon 2005 bestallte die Hochschule RheinMain die in Berlin wohnende Publizistin für die Poetikdozentur in Wiesbaden.
Sie käme gerne immer wieder hierher zurück, äußerte die munter und konzentriert wirkende Hoppe im Gespräch mit Moderator Christoph Schröder. Im Gepäck das eben erschienene Buch „Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm“. Die erste Frage galt natürlich der Stoffwahl. Das Mittelalter ist der literaturwissenschaftlich ausgebildeten Autorin nicht fremd. Zusammen mit verwandtschaftlichen Beziehungen nach Worms, und damit zu den dortigen neu aufgelegten Nibelungenfestspielen verdichtete sich das Thema. Die Lektüre des Originaltextes mit seiner sprachlich puristischen Klarheit und seiner blutdurchtränkten Fabel hätten sie überzeugt. Auch wenn sich bei der Erarbeitung die ganze Vertracktheit der Saga und vor allem der Missbrauch im Dritten Reich Fallsticke und Stolpersteine für eine Adaption darstellten. Schröder spricht auch an, inwieweit eine woke Leserschaft mit den toxischen Männerfiguren zurechtkommen könne. Ob die Verwendung des „Donauliedes“, in dem machohaft die Vergewaltigung einer Maid besungen wird, angebracht sei. „Es geht um Gewalt“, die vor allem den Frauen wie einer Brunhild angetan werde. Diese Denkweise zeige sie unironisch.
Statt eines klassischen historischen Romans fand Hoppe für sich den Dreh eines dreigeteilten Romans. Als Auftakt befindet man sich in einer neuen Inszenierung des Epos auf der Wormser Dom Bühne. Die von Hoppe gelesene Passage ist in Ich-Form gehalten. Gleich tritt Superheld Siegfried auf die Bühne. Der muss sich erzähltechnisch von einem bekannten schwarzhaarigen Theaterstar in den blonden Recken permutieren. Auch Zwerg Alberich kauert Geldstücke zählend auf der Drehbühne. Einem verletzten, phantasmagorischen Falken wirft er Münzen zu. Es erscheint Hagen, ein Superbösewicht wie man ihn aus dem Hollywoodkino gewöhnt ist. Mit einem lässigen Spruch gen Blondie-Boy verweist er diesen gleich auf seinen Platz als Opfer, welches er später verspeisen wird.
Gesprächspartner Schröder fragt natürlich nach dem Subtitel des Romans „Ein deutscher Stummfilm“. Zumal der zweite Teil der Story aus Interviews mit den Darstellern in der Garderobe besteht, also extrem dialogisch ist. Hoppe schildert ihre Recherche, die sich natürlich mit Fritz Langs Film-Epos von 1924 beschäftigte. Die in Bühne und Kostümen ornamental prangende Filmproduktion begeisterte Hitler, des sich auch als nibelungentreuer Rittersmann in Rüstung portraitieren ließ. Für Hoppe seien diese Querverweise reines Material. Entsprechend ist der Name der Bühnenregisseurin aus Teil ein eine Frau „Kettelhut“. Sie trägt den Namen des Bühnenbauers von Lang, der ein Buch über „the-making-of“ des heute unerträglich kitschig und appmachéhafte Opus verfasst hat.
Als Vorleserin blüht Hoppe im Interview mit Bühnenstar „Hagen“ auf. Wobei dessen flapsige und teils spinnerte Äußerungen vor allem zu Rhein und Donau sprachlich langatmig geraten sind. Inspiration hätte die viel Zug fahrende Autorin im DB-Magazin mit seinen vielen Promi-Gesprächen geschöpft. Sie attestiert sich, dass sie ihr ursprüngliches Manuskript, in dem sie sich bis zu Kalauern hinein verplaudert hätte, mächtig einkürzen musste.
Teil drei lautet „Klage“. Die Übersicht über die Ereignisse wird durch die Augen eines „Zuschauers“, der gedanklich im „Beiboot“ der ganzen Ereignisse mitgetuckert ist beleuchtet. Sprachlich elegisch und mit Bildern wie dem „Narrenschiff“ spielend dreht sich die Selbstbefragung im Kreis. Wobei das Movens aller blutiger Heldentaten bei Hoppe schon vorher präzise benannt wurde: In der Theaterinszenierung betritt immer wieder eine Figur namens „Goldene 13“ die Bühne. Arbeitstitel des Buches wäre ursprünglich „Der letzte Schatz“ gewesen. Schröder und Hoppe nutzen die Vokabel für Sidekicks zu Nibelungenhort-Suchern, Sprachexkursen zum Wort „Schatz“ als Kosename und überhaupt zum Thema wie Siegfried nach der Drachentötung das ganze Geraffel alleine hätte von der Stelle bringen können.
Der Abend im Literaturhaus zeigte in wie viele Richtungen Hoppe versuchte in ihrem Nibelungen-Buch die Materie zu durchdringen und zum Klingen zu bringen. Deutungsebenen und Querverweise gibt es offensichtlich zu Hauf. Eine glückliche Lektüre scheint demjenigen gewiss, der über den kulturhistorischen Hintergrund des Epos bewandert ist.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/felicitas-hoppe-nibelungen-worms-1.5408829